Ein weihnachtlicher Erich-Kästner-Abend – Grigorij Kästner-Kubsch liest und spielt, auch mit den Zuschauern, Texte dieses beliebten und bekannten Autors.
Zu erleben sind unbekannte, kleine, feine und gemeine Geschichten und Gedichte, in welchem Kästner als bekennender Pessimist und Zyniker, dem Weihnachtsmann nicht über den Weg traut. Die meisten dieser Texte stammen aus den zwanziger Jahren. Einige Kurzgeschichten wurden in dem Leipziger Magazin „Beyers für alle“ veröffentlicht und seither nie mehr nachgedruckt. Zu Unrecht, denn sie sind eine kleine literarische Sensation. Seine Sprache und sein Ton unterscheiden sich von dem späteren Kästner, dennoch ist er überall erkennbar.
Der aus Dresden kommende Puppenspieler Kästner-Kubsch ist nicht verwandt mit Erich Kästner, außer das auch er ein schwärmender Dresdner ist und wenn er aus dem Buch der Kindheitserinnerungen von Kästner „Als ich ein kleiner Junge war“ vorliest, spürt man schon eine Seelenverwandtschaft. Dennoch bleibt auch an diesem Abend Kästner-Kubsch sich treu und ist ein unverkennbarer Puppenspieler, Schauspieler und Erzähler, der den Gästen bei aller Heiligkeit des Weihnachtmonats augenzwinkernd, mit Erich Kästners Hilfe natürlich, nicht nur auf der Bühne reinen Wein einschenkt. Ein gemütlicher und bissiger, im Kerzenlicht und auch im Scheinwerferlicht, also im Spot und im Spott gut verdaulicher Abend.
Presse
Hagen. (sam) Es war ein ungewöhnlicher Abend im Puppentheater Firlefanz, auf den sich das Publikum freuen konnte. Nahezu unbekannte Texte Erich Kästners rezitierte sein Namenskollege Grigorij Kästner-Kubsch. Und dabei drehte sich nahezu alles um das Fest der Liebe. Doch wer auf besinnliche Stunden spekuliert hatte, musste umdenken. Auf phantasievolle Art und Weise legte der Gastgeber dar, dass Weihnachten auch in den 20er Jahren einen immensen Stressfaktor beinhalten konnte.
So gab es da zum Beispiel den gleichermaßen diebischen wie redseligen Weihnachtsmann, die verschenkte Grammophon-Platte mit der entsetzlichen Wahrheit sowie eine akrobatische Feier am Heiligen Abend voller mehr oder weniger gewollter Unfälle. Eigeninitiative und Schadenfreude hatte das geneigte Publikum darauf gehofft, sich als teilnehmender Beobachter in seinem Stuhl zurücklehnen zu können, hatte es sich gewaltig getäuscht. Beim Puppenduell war Initiative gefragt, vier begeisterungsfähige Zuschauer durften die Marionetten im Schattenspiel bedienen.
Das sorgte bei dem Teil der Gäste, der verschont worden war, für schadenfrohe Erheiterung. Kästner ist nicht gleich Kästner. Doch, auch wenn keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem großen Literaten und seinem Namensvetter bestehen, vermochte es Grigorij Kästner-Kubsch auf gleichermaßen amüsante wie überraschende Weise, die Weihnachtszeit in den 20er Jahren wieder aufleben zu lassen. Und dabei wurde dem faszinierten Publikum ein ganz anderer Erich Kästner präsentiert – frech, tiefgründig und in erster Linie herzerfrischend. Dementsprechend begeistert fiel dann auch der Beifall aus.
Westfälische Rundschau, 19.12. 2005